Fleisch galt lange Zeit als Zeichen von Wohlstand in Deutschland. Wer sonntags einen Braten auf den Tisch stellen konnte, der hatte es geschafft. Erst recht, wenn Schwein, Rind und Geflügel auch noch unter der Woche auf dem Speiseplan standen. Mittlerweile aber kehrt sich diese Sichtweise um. Heute gilt der freiwillige Verzicht zunehmend als Ausdruck eines geachteten Lebensmodells. Seine Rolle als Statussymbol jedenfalls hat Fleisch Experten zufolge verloren. Das zeige nicht zuletzt die stark steigende Zahl an Vegetariern und Veganern in Deutschland.

Rund acht Millionen Menschen ernähren sich hierzulande nach Angaben des Vegetarierbundes Deutschland fleischlos, also schon zehn Prozent der Bevölkerung. Aber wer ist das? Wie tickt der gemeine Vegetarier? Wo und wie lebt er? Das hat der Marketingdienstleister Acxiom nun in einer Umfrage untersucht. Das Ergebnis: Der typische Vegetarier in der Bundesrepublik ist weiblich, jung, gebildet und urban.

Besonders deutlich ist die Antwort auf die Geschlechterfrage. Immerhin 73 Prozent der Vegetarier sind Frauen. Die große Mehrheit von ihnen verfügt über eine fundierte Ausbildung mit Abitur und meist auch einem abgeschlossenen Studium. Und auch beim Wohnort gibt es eine eindeutige Tendenz: Wer kein Fleisch isst, lebt überdurchschnittlich häufig in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern. Der Trend erfasse mittlerweile aber auch zunehmend die ländlichen Regionen, heißt es in der Untersuchung. Unabhängig vom Wohnort gelten Vegetarier als technikaffin.

„Smartphone und Tablet werden tagtäglich genutzt, auch um sich vor dem Kauf über Produkte zu informieren“, analysieren die Initiatoren der Befragung. Wichtig für das anschließende Konsumverhalten sind dann unter anderem ethische Kriterien, Nachhaltigkeit und eine regionale Herkunft von Produkten. Dafür geben sie dann auch entsprechend mehr Geld aus als weniger nachhaltig interessierte Konsumenten. Und auch sonst sind sie zu höheren Investitionen bereit: In puncto Mode zum Beispiel oder bei technischen Geräten vertrauen Vegetarier eher exklusiven Marken.

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Rügenwalder bald ganz fleischlos?

Eingestellt auf den Vegetarierboom in Deutschland haben sich mittlerweile auch Wursthersteller wie Rügenwalder Mühle. Und das vergleichsweise radikal. Schon ein Fünftel des Sortiments beim Mittelständler aus Niedersachsen wird aus Fleischersatzstoffen hergestellt, also beispielsweise aus Soja, Erbsen, Ei und Lupinen.

Geschäftsführer Christian Rauffus hat kürzlich sogar nicht ausgeschlossen, dass sein Unternehmen bei der Herstellung von Wurst und Schnitzeln in Zukunft komplett auf Fleisch verzichtet. Denn Rügenwalder hat bei der Bevölkerung einen Einstellungswechsel ausgemacht und sieht in der Realität weit mehr Fleischlosesser, als es die Zahlen des Vegetarierbundes aussagen.

So habe eine aktuelle Befragung von TNS Infratest im Auftrag des Unternehmens ergeben, dass sich über die bekennenden Vegetarier hinaus schon 56 Prozent der Deutschen flexitarisch ernähren, also ihren Fleischkonsum deutlich reduziert haben. Aber nicht jeder bleibt dabei, auch das ist eine Erkenntnis der Befragung bei rund 4000 Konsumenten. Immerhin 27 Prozent hätten nämlich schon versucht, weniger Fleisch zu essen, es dann aber nicht durchgehalten.

Dieser Text erschien zuerst in der Welt.

Bild: Gettyimages/Westend61