Stone Brewing
Schwören auf Bier, das den Trinker herausfordert: Stone-Gründer Greg Koch (l.) und Steve Wagner

Nein, das ist kein Satan. Kopfschüttelnd ärgert sich Greg Koch über die Frage, welcher Kopf am Eingang seiner Brauerei hängt. „Es ist natürlich ein Gargoyle“, erklärt der Vorstandschef von Stone Brewing. Auch am Firmensitz der US-Brauerei in Berlin-Mariendorf ziert die diabolisch dreinblickende Figur seit ein paar Monaten viele Elemente.

„Der Gargoyle soll unser Bier vor künstlichen Zusätzen und Pasteurisierung bewahren“, erklärt Koch, für den das Brauen zu einer Art Religion geworden ist. Zusammen mit Steve Wagner gründete er 1996, als nur noch Braukonzerne mit langweiligem Einheitsbier den US-Markt dominierten, Stone Brewing – einen der Vorreiter der US-Craft-Bewegung. Einer Brauart, bei der das Bier wieder stärker handwerklich hergestellt wird. Also nicht in riesigen Mengen, sondern mit natürlichen Zutaten sowie deutlich mehr Hopfen, um dem Bier mehr Geschmack zu geben.

Zwanzig Jahre später ist diese spezielle Interpretation des Bierbrauens längst auch in Deutschland angekommen. Dutzende kleine Betriebe brauen stark gehopfte angelsächsische Biere wie das Pale Ale oder das India Pale Ale (IPA) in ihren Kesseln. Allein in Berlin entstanden in den vergangenen zehn Jahren 27 neue Betriebe. Für Greg Koch war die wachsende Konkurrenz allerdings kein Argument, nicht nach Deutschland zu kommen und hier 25 Millionen Euro zu investieren. Im Wettbewerb von 130 anderen möglichen europäischen Standorten hat er sich für Berlin entschieden. Bald feiert man im etwas abgelegenen Süden Berlins den ersten Geburtstag.

Dann wird zum Beispiel das Ruination Double IPA, gebraut mit fünf verschiedenen Hopfensorten, gereicht oder das Arrogant Basterd Ale. Sorten, die dem normalen deutschen Biertrinker nicht so einfach über den Gaumen gehen. Bereits das Ruination sprengt die internationale Bittereinheit für Biere (IBU), die beim Wert von 100 endet. Ein normales deutsches Pilsener liegt gerade einmal bei einem IBU von 30 bis 40 – Tendenz weiter fallend.

Im Kampf für mehr Absatz und bekömmlicheren Genuss haben die deutschen Brauer ihre Biere immer mehr verweichlicht. Das Ergebnis: Bei vielen Pilsener-Sorten ist kein Unterschied mehr herauszuschmecken. Statt echten Hopfens kommt oft nur noch billiger und einfach zu verarbeitender Hopfenextrakt ins Bier. Doch kann eine so verrückte US-Brauerei mit so abenteuerlichen Bieren in Deutschland überhaupt Erfolg haben und möglicherweise diesen Trend umkehren?

Nina Anika Klotz muss über diese Frage nicht lange nachdenken. Als Betreiberin des Branchenmagazins „Hopfenhelden“ beobachtet die Bier-Expertin die aktuellen Entwicklungen der Craft-Beer-Branche. Und aus ihrer Sicht spielt dabei die US-Brauerei trotz der sehr außergewöhnlichen Sorten eine entscheidende Rolle. „Stone bringt das Thema Craft Beer durch die bundesweite Verbreitung insgesamt im Lebensmittelhandel weiter voran“, erklärt Klotz.

Bisher könnte nicht jeder der kleinen Craft-Anbieter die erforderlichen Mengen für Rewe, Kaufland und Co. liefern. Für Stone sei das jedoch kein Problem. Gerade stellte man in der Berliner Brauerei neue Lagertanks auf, um die Kapazität zu steigern. Andere Anbieter aus Deutschland wie BRLO aus Berlin und Crew Republic aus Unterschleissheim würden im Einzelhandel nachziehen und von der stärkeren Sichtbarkeit der neuen Craft-Biere profitieren.

Eigentlich hat Stone einen Fehler gemacht

Dabei haben die Amerikaner für den deutschen Markt noch eine ziemlich ungewöhnliche Entscheidung getroffen. Ihre Biere werden fast ausschließlich in Alu-Dosen verkauft. „Damit hat sich Stone eigentlich selbst eine Hürde gebaut, denn die Dose ist in Deutschland meist noch mit dem Image als Billig-Bier behaftet“, erklärt Klotz.

Doch gerade die unattraktive Büchse ist eigentlich das Beste, was dem Bier passieren kann, ist Gründer Greg Koch überzeugt. Denn statt wie in der Glasflasche kann eindringendes Licht nicht wichtige Aromen im Bier zerstören. Zusätzlich lässt der Brauereigründer seine Biere am liebsten durchweg kühlen, damit die Qualität immer auf einem hohen Level bleibt.

Die Sorge um die Qualität bestimmt bei Stone sogar die künftigen Expansionspläne des Unternehmens. Zwar exportiere man jetzt auch Bier nach Australien und Asien, was man früher abgelehnt habe. Doch nach wie vor wird ein Stone-Bier seinen Weg nicht nach Südamerika finden. „Aktuell ist uns dieser Markt noch nicht anspruchsvoll genug, es wird kaum gekühlt, nicht im Einzelhandel und nicht im Restaurant. So sollte man aus unserer Sicht Bier nicht behandeln.“

„Selbst in Deutschland wird mit Bier nicht immer respektvoll genug umgegangen“, meint Koch. Wirklich wundern würde ihn das aber nicht, denn die meisten deutschen Industriebiere seien sowieso „kugelsicher“. „Dort ist eigentlich nichts mehr drin, was zerstört werden kann.“ Trotzdem entschied sich Koch für das Brauereigelände im Süden Berlins. „Wir lieben es hier, ein Teil der Revolution zu sein und den Umgang mit Bier zu verbessern.“

Als man 1996 in Kalifornien begann, stark gehopftes Bier zu brauen, sei man auch für verrückt erklärt worden: „Das kaufe doch niemand, das sei viel zu stark und zu bitter.“ Greg Koch vergleicht die Debatten gerne mit dem Aufkommen von Rock’n’Roll in den 50er-Jahren. „Es hieß auch, diese Musik sei zu laut und zu aggressiv und würde wieder verschwinden. Doch das tat sie nicht.“

Zeit für Reinheitsverbotspartys

Mittlerweile gehört Stone in den USA zu den größten Craft-Beer-Brauereien – und das Volumen steigt jedes Jahr weiter. In der Berliner Brauerei, von der aus man mehr als 24 europäische Länder beliefert, will man 2017 knapp 35.000 Hektoliter herstellen – perspektivisch sind bis zu 100.000 Hektoliter pro Jahr möglich. Das sind zwar Peanuts im Vergleich zu den großen Brauereien in Deutschland, doch Stone will in Europa langfristig wachsen. Und ein Statement gegen langweiliges Bier setzen.

Dafür müssen ab und zu auch deutsche Industriebiere zerstört werden. Zur Ankündigung des Berlin-Engagements zerschmetterte Greg Koch Dutzende Flaschen der Konkurrenz, indem er mit einem Gabelstapler einen gigantischen Stein auf sie fallen ließ. „Wenn ich Industriebier bewerten müsste, dann würde ich wohl sagen, dass die Deutschen im Vergleich zu den USA das bessere davon machen“, erklärt Koch. Doch das sei nur ein halbherziges Lob. „Das ist genauso, als würde man sagen, so schlecht ist das gar nicht.“

Der Kampf gegen langweiliges Bier bedeutet für Koch dabei aber nicht, sich vom deutschen Reinheitsgebot zu verabschieden. Alle in Büchsen abgefüllten Sorten entsprechen der jahrhundertealten Tradition. „Das Reinheitsgebot bietet schon einen tollen Rahmen, um gutes Bier zu brauen, doch es ist andererseits auch nicht strikt genug, weil es chemische Zusätze und Stabilisatoren nicht verbietet“, sagt Stone-Braumeister Thomas Tyrell, der ab und zu aber auch die Regeln über Bord wirft.

Regelmäßig feiert die Berliner Brauerei Reinheitsverbotspartys. Dann stehen mehr als 50 Biere auf der Karte, die neben Hopfen, Malz und Hefe noch mit Karamell, Enzian oder anderen natürlichen Zusätzen hergestellt werden. Günstig ist das Vergnügen allerdings nicht. Für 0,3 Liter müssen Bierfans mindestens fünf Euro im Restaurant von Stone einplanen. Selbst im Supermarkt kosten die neuen Stone-Biere um die zwei Euro. Die neue deutsche Craft-Beer-Welt ist vielseitig, aber eben auch kein Schnäppchen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt Online.

Bild: Stone Brewing