Derart große und großzügige Filialen wie hier in Virginia haben sich für Lidl in den USA als Misserfolg erwiesen.
Derart große und großzügige Filialen wie hier im US-Bundesstaat Virginia haben sich für Lidl in den USA als Misserfolg erwiesen.

Spätestens als Brendan Proctor seinen Hut nehmen musste, war der Fehlstart von Lidl in den USA besiegelt. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der für die US-Expansion verantwortliche Manager gehen muss. Sein Nachfolger wird der bisherige Schweden-Chef des Unternehmens aus Neckarsulm, Johannes Fieber. Der ambitionierte Angriff des Discounters auf den Lebensmittelmarkt in den Vereinigten Staaten hatte Mitte 2017 begonnen, schon nach drei Monaten gilt das Projekt in Branchenkreisen als Debakel. Einziger Hoffnungsschimmer scheint aktuell, also fast ein Jahr später, die Zusammenarbeit mit einem Liefer-Startup zu sein.

Gescheiterte Standortpolitik

Doch was ging bisher alles schief? Am deutlichsten wurde der Fehlstart durch die Korrektur der Standortpolitik. Zunächst hatte Lidl auf verhältnismäßig großzügige Filialen auf der grünen Wiese gesetzt. Doch die Umsätze blieben unter den Erwartungen. Laut Manager Magazin reichen die ursprünglich kalkulierten zwei Milliarden Euro nicht aus, um Investitionen und Anlaufverluste zu decken. So schwenkte das Management schnell um: Rund 100 bereits akquirierte Standorte in den USA wurden storniert. „Wenn man einen Fehler erkennt, muss man ihn korrigieren“, kommentiert Klaus Gehrig, Leiter der Neckarsulmer Schwarz-Gruppe, zu der Lidl gehört. 

Nun sucht der Discounter nach kleineren Ladenflächen in Innenstadtlage. Einem Bericht des Handelsblatts zufolge präferiert das Management die Zusammenarbeit mit sogenannten „National Co-Tenants“ – etablierte US-Händler, die in ihrem Gebäude eine Ladenfläche an Supermärkte vermieten, um Laufkundschaft anzuziehen. Doch hier setzte es gleich die nächste Schlappe für Lidl: Ausgerechnet der deutsche Konkurrent Aldi schnappte dem Discounter aus Neckarsulm genau einen solchen Deal weg. Aldi wird in nächster Zeit Filialen in der US-Kaufhauskette Kohl’s eröffnen.

Die verkorkste Standortpolitik drückt sich auch in Zahlen aus. So hatte Lidl im vergangenen Jahr eigentlich 100 Filialen in den USA eröffnen wollen. Im Mai 2018 wurden aber gerade mal 51 Filialen in Betrieb genommen. Mit mehr als 20 Neueröffnungen ist auch in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. 

Unbeliebtes Sortiment

Neben Supermarktketten wie Walmart (5200 Geschäfte), Krügers (2800) oder Target (1800) ist Lidl damit in den USA ein verhältnismäßig kleiner Player. Und die Konkurrenten taten auch alles, damit das so bleibt. „Wir wurden herzlich empfangen“, umschrieb Lidl-Vorstandschef Jesper Hojer den US-Start Anfang Mai des vergangenen Jahres höflich. Medienberichten zufolge hatte die Konkurrenz ihre Preise zum Lidl-Start mitunter deutlich gesenkt. Händler hätten vor Ort Lieferanten unter Druck gesetzt, Lidl nicht zu beliefern.

Doch auch beim Kunden kam Lidl nicht gut an. „Es fällt ihnen nicht leicht, den Kunden zu erklären, was für ein Händler Lidl ist“, sagte Michael Rogosa, Direktor des Marktforschungsinstituts Planet Retail RNG im März. Das Konzept mit zahlreichen Aktionsangeboten zu verschiedenen Tagen sei nicht verstanden worden, so der Befund. Lidl hatte deshalb Anfang Mai angekündigt, das Sortiment anzupassen. Anders als in Deutschland gilt in den USA die gut verdienende Mittelschicht als Zielgruppe von Lidl. Von Anfang an hatte Lidl zudem auch Gegenwind der Handelsgewerkschaft United Food & Commercial Workers Union bekommen.

Zusammenarbeit mit Shipt

Während E-Food für den Discounter in Deutschland keine Rolle zu spielen scheint, ist ausgerechnet dieser Bereich in den USA der einzige, der positive Meldungen für Lidl hervorbringt. Seit Oktober 2017 arbeitet die Lebensmittelkette im Bundesstaat South Carolina in einem Pilotprojekt mit dem Liefer-Startup Shipt zusammen. Bereits zwei Monate später wurde das Liefergebiet auf das angrenzende North Carolina ausgeweitet. In dieser Woche wurde nun bekannt, dass die Kooperation auch auf vier Städte im Bundesstaat Virginia ausgedehnt wird. Damit erreicht Lidl per Lieferservice inzwischen immerhin knapp 900.000 Haushalte.

Die Idee von Shipt ist einfach: Selbständige erledigen die Einkäufe in den Läden und bringen sie dann noch am Tag der Bestellung zum Kunden. Das 2014 gegründete Startup arbeitet neben Lidl allerdings auch mit anderen Supermärkten zusammen und ist auch nicht mehr eigenständig. Im vergangenen Dezember hatte die Supermarktkette Target Shipt für 550 Millionen US-Dollar übernommen. Die Zusammenarbeit werde durch den Deal jedoch nicht beeinflusst, hatte Lidl damals mitgeteilt. 

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In North Carolina gehöre Lidl zu den Lieblingssupermärkten der Shipt-Kunden, sagte Bill Smith, Gründer und CEO des Startups anlässlich der erweiterten Zusammenarbeit mit dem Discounter. Lidl habe sich eine loyalen Kundenstamm aufgebaut, hieß es weiter. Um die Nachfrage in den neuen Liefergebieten von Lidl bewältigen zu können, will Shipt zudem neue Einkäufer einstellen.

In Deutschland hatte das Unternehmen im vergangenen Jahr alle Lebensmittel aus dem Online-Shop geworfen, in den USA scheint das Konzept hingegen anzukommen. Gut möglich, dass die Konzentration für E-Food für Lidl in den USA der Ausweg aus der Krise sein könnte.

Bild: Getty Images / Chet Strange / Stringer