True Fruits
True-Fruits-Mitgründerin Inga Koster

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Was andere denken, schert Inga Koster wenig. Sie ist Mitgründerin des Bonner Smoothie-Herstellers True Fruits, der unter anderem mit Wörtern wie „Samenstau“, „Oralverzehr“ oder „Eier aus Stahl“ für sein Produkt wirbt. Koster hat an diesen provokanten Kampagnen mitgearbeitet, die ihrem Unternehmen viel Aufmerksamkeit einbrachten. Das unkonventionelle Auftreten von True Fruits gehört zum Geschäftsmodell.

Doch selber im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, das gefällt ihr nicht so sehr. Denn Koster kümmert sich lieber im Hintergrund um True Fruits, das sie gemeinsam mit Marketing-Chef Nicolas Lecloux und CEO Marco Knauf aufgebaut hat. Mit Erfolg: Seit der Gründung 2006 haben die drei mit dickflüssigen Säften in Glasflaschen ein profitables Unternehmen geschaffen, das 2016 nach eigenen Angaben einen Umsatz in Höhe von 40 Millionen Euro machte. Ein Smoothie kostet bis zu 2,50 Euro.

Eine „Hängerin“ wird Unternehmerin

Dass das mal so kommen würde, hätte Koster, 38, nicht gedacht. Denn früher, erzählt sie, sei sie eine „Hängerin“ gewesen. Sie habe viel gefeiert, habe auch mal die Schule geschwänzt. „Die Lehrer haben mich gehasst“, erinnert sich die Unternehmerin lachend, als sie im bunten Meetingraum in Bonn-Beuel sitzt. Der Tisch hat die Form einer dieser True-Fruits-Flaschen, die „eine Mischung aus Nuk-Kinderflasche und Kölsch-Glas“ sein sollen. 

Obwohl sie in der Schule nur das Nötigste gemacht habe, habe es meistens für eine gute Note gereicht, sagt Koster, die sich nach dem Schulabschluss zur Bankkauffrau ausbilden ließ. In der Bank ist Koster gut in ihrem Job, sie kann hier ihren Hang zum analytischen Denken das erste Mal ausleben.

Aber Leidenschaft? Fehlanzeige. Sie betreut hauptsächlich Finanzchefs von Industrieunternehmen. „Die waren so stolz auf den Trecker oder das Auto, das sie herstellten“, erinnert sie sich. „Sie wussten, wofür sie arbeiteten – nämlich für das Produkt. Das gab es bei uns bei der Bank nicht, da musstest du dich für etwas wie den Zinssatz begeistern können.“ Sie beschließt, den Job zu schmeißen und wieder zu studieren. „Das kann es nicht sein“, dachte sie.

Günstige Fernbusreisen – oder doch Pornos?

Während des BWL-Studiums lernt sie Nicolas Lecloux kennen, später Marco Knauf. Mit Knauf ist die Gründerin seit mehr als zehn Jahren auch privat liiert. 2005 beschließt das Paar für ein Semester ins schottische Aberdeen zu gehen. Im dortigen Uni-Shop stoßen sie das erste Mal auf pürierte Säfte aus Obst und Gemüse. Sechs Monate später steht Koster wieder in Bonn. Knauf und sie wollen sich selbstständig machen.

Doch womit? Sie überlegen, günstige Fernbusreisen anzubieten – oder eine Website für Amateurpornos aufzubauen. Weder das eine, noch das andere ist zu dem Zeitpunkt in Deutschland bekannt, erinnert sich Koster. Youporn? Flixbus? Gibt es noch nicht. Doch am Ende verfolgen sie diese Ideen nicht, sie wenden sich den Smoothies zu – und Koster findet endlich ihre Passion.

2006 gründen die drei True Fruits in Bonn. „Wenn ich für irgendetwas Leidenschaft habe, stehe ich voll und ganz dahinter“, sagt Koster, Leidenschaft hat die Gründerin für Smoothies, auch wenn sie sie privat nicht trinkt. An das Produkt glaubt sie trotzdem. „Ich bin jemand, der sich ungern sagen lässt, was er machen soll.“ Ihr Blick wandert zu den drei großen farbenfrohen Porträtbildern von ihr und ihren Mitgründern, die an der Wand des Meetingraums hängen. Auf jedem sind die Stärken der Gründer aufgeschrieben. Bei Koster steht: Intuition, Kontrolle, Strategie und Power.

„Man darf sich nicht verunsichern lassen“

Die ersten Jahre im jungen Unternehmen sind anstrengend. Es ist eine Herausforderung, Rezepte zu entwickeln, Produzenten zu finden und Ratschläge einzuholen. Von Branchenprofis habe es Tipps wie „Zieht nach Hamburg“ oder „Glasflaschen gehen gar nicht“ gegeben. Koster und ihre Mitgründer hören darauf nicht. Doch sie gibt zu: „Man muss sich wirklich sicher sein, was man will, und man darf sich nicht verunsichern lassen. Das ist schwierig, wenn du Anfang 20 bist und vom Leben – und der Branche – noch nicht so viel Ahnung hast.“

Bild: True Fruits

True Fruits
True-Fruits-Mitgründerin Inga Koster

In den ersten Jahren „nötigt“ die Bonnerin ihre beiden Mitgründer, an Businesswettbewerben teilzunehmen. Zum einen, um einen ordentlichen Geschäftsplan aufstellen zu müssen. Zum anderen für die Reputation, die ein Preis bei so einem Wettbewerb mit sich bringt. Sie glaubt, eine Teilnahme oder gar Auszeichnung würde dabei helfen, Geld von Investoren zu bekommen. „Ob du bei den Einkäufern bei Rewe oder den Lieferanten sitzt, das sind alles Menschen. Wenn sie mitbekommen, dass das Produkt schon mal von jemandem als gut empfunden wurde, sind sie überzeugt.“

Es wirkt: Finanzielle Unterstützung gibt es von zwei Business Angels, die noch immer an True Fruits beteiligt sind. Kosters analytische Art, die ihr hilft, im Bankjob gut zu sein, kommt ihr auch beim Startup zugute. Sie sorgt für Ordnung, löst Probleme. Sie sei die „Erdung“ im Team, lässt sich ein Investor einmal zitieren. „Manchmal denkt man bei anderen Unternehmen, dass die alles super hinkriegen“, sagt Koster so auch ganz pragmatisch über das Gründerdasein. „Aber dann guckt man da mal genauer hin und sieht, dass sie noch chaotischer sind als man selber. Ein Unternehmen zu führen, ist nicht einfach, aber man muss auch kein Übermensch dafür sein.“

Marketing ist nicht ihr Ding

Die erste Zeit kümmert sich Koster auch um das Marketing. Doch das gefällt ihr nicht. „Man arbeitet da acht Stunden an etwas – und dann hat man einen Flyer“, moniert sie. „Da bin ich eher jemand, der das Unternehmen steuert und guckt, dass alles läuft. Das befriedigt mich mehr.“ Ihr Mitgründer Lecloux übernimmt die Unit, Koster konzentriert sich auf das Administrative. Auch bei Suckit, ihrem zweiten Unternehmen, das sie gemeinsam mit Knauf und einem Kölner Gründer führt. Das Produkt: Wassereis mit Alkohol.

Koster und Knauf sind noch immer ein Paar, nun auch Eltern zweier Söhne, die zwei und fünf Jahre alt sind. Bei der Unternehmerin vermischen sich das Privat- und Berufsleben – und so fliegen auch mal im Büro „die Fetzen“. Man könne nun einmal nicht immer derselben Meinung sein, sagt sie sachlich. „Wir kennen uns seit 15 Jahren. Da weiß man, welche Macken der andere hat“, fügt sie hinzu. Auch als Mutter packt Koster an und löst Probleme: undramatisch, effizient, durchdacht. So auch, als ihr jüngster Sohn krank wird und nicht in die Kita kann. Kurzerhand nimmt sie ihn mit auf die Arbeit, in ihrem Büro steht ein Bett für ihn.

Wie bei True Fruits haben Knauf und sie auch im Alltag Aufgaben aufgeteilt. So übernimmt die 38-Jährige die Kinder in der Regel morgens, der CEO abends. Denn dann sitzt Koster gerne noch auf der Couch und beantwortet E-Mails, sagt sie. Zwischen 18 und 21 Uhr setzt sie ihre Arbeit fort, da manche Nachmittage den Kindern gehören.

Dass es für sie manchmal schwer ist, die Arbeit liegen zu lassen, wenn etwa ein Schwimmkurs ansteht, merkt man. „Ich muss mir jedes Mal sagen: Das hier ist zwar wichtig, aber der Schwimmkurs ist genauso wichtig“, gibt sie zu. „Würde ich anfangen, das Training ausfallen zu lassen, würde mein Sohn da nie hinkommen. Es ist immer irgendetwas wichtig in so einer Firma.“

„Ich bin einfach nicht die extrovertierte Rampensau.“

Dass Koster nicht nur im Privatleben durchgreift, wird auch deutlich, als sie über Frauen und Sexismus redet. Sie verstehe nicht, warum das in Gesprächen mit ihr immer wieder zum Thema wird. „Was mich nervt, ist, dass ich immer wieder auf Frauenthemen wie die Frauenquote angesprochen werde“, sagt sie. „Ja, ich bin eine Frau – aber keine Expertin.“ Von den drei Gründern verhandle sie am härtesten, betont sie. „Das bekommen die Geschäftspartner irgendwann mit.“ In den Vordergrund drängt sie sich nicht.

Während ihre zwei Mitgründer öfter Aufmerksamkeit bekommen, nimmt sie freiwillig eine Hintergrundposition ein. „Natürlich kennt Nic viel mehr Leute, er hält Vorträge oder ist im TV. Das ist aber auch ein Job, den ich gar nicht ausfüllen möchte.“ Sie halte zwar auch mal Vorträge, wenn jemand sie dazu zwinge, sagt sie lachend. Für sie sei das jedoch eigentlich verschwendete Zeit, in der sie besser andere Dinge hätte erledigen können. Lieber kümmert sie sich um True Fruits: „Ich bin einfach nicht die extrovertierte Rampensau.“

Dieser Text erschien zuerst im neuen NGIN-Food-Printheft. Hier geht es zum Magazin! 

Bild: True Fruits